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12. Mai 2004, 02:11, Neue Zürcher Zeitung


Das sich wandelnde Bild vom Mars

Einfluss von Wasser und Eis auch in jüngerer Vergangenheit

Der Mars gilt als ein Planet, der sich in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr stark verändert hat. Die beiden Roboter und die Sonde, die den Mars gegenwärtig scharf ins Visier nehmen, wecken jedoch Zweifel an diesem Bild. Die prägende Wirkung von Wasser und Eis scheint nicht auf die ferne Vergangenheit beschränkt gewesen zu sein.


Spe. Seit Wochen reisst der Strom von Daten und Bildern nicht ab, den die europäische Marssonde «Mars Express» und die beiden amerikanischen Marsroboter «Spirit» und «Opportunity» von unserem Nachbarplaneten zur Erde funken. Die konzertierte Aktion der Nasa und der ESA hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Begeisterung für den Mars ist so gross wie seit Jahren nicht mehr. Das wurde auch an einer Tagung der Europäischen Geowissenschaftlichen Vereinigung deutlich, die vor kurzem in Nizza stattgefunden hat. Zu den Publikumsmagneten der fünftägigen Veranstaltung gehörte jene Sitzung, an der europäische und amerikanische Mars-Forscher eine erste Zwischenbilanz zogen. Auch wenn sich die europäische Seite bei der Vorstellung ihrer Resultate ziemlich bedeckt hielt, zeichnet sich bereits jetzt eines ab: Die Ergebnisse der beiden Missionen dürften die eine oder andere Korrektur am bisherigen Bild vom Mars nötig machen.

Auf der Spur des Wassers

Es steht heute ausser Frage, dass der Mars in seiner Vergangenheit massgeblich durch Wasser geprägt worden ist. Das deutlichste Anzeichen hierfür sind Netzwerke von Schluchten, die eine grosse Ähnlichkeit mit verästelten Talsystemen auf der Erde haben. Auch die erhöhte Erosionsrate, die an alten Einschlagkratern zu beobachten ist, spricht dafür, dass es auf der Oberfläche des Mars vor rund vier Milliarden Jahren flüssiges Wasser gegeben haben muss. Heute gilt der Mars hingegen als kalt, trocken und weitgehend inaktiv. Das prägende Element Wasser scheint verschwunden zu sein - und mit ihm die Mikroorganismen, die möglicherweise einmal auf dem Mars gelebt haben. Indem Forscher der Spur des Wassers folgen, wollen sie herausfinden, ob, wann und wo auf unserem Nachbarplaneten jemals ähnlich günstige Bedingungen für die Entstehung von Leben existiert haben wie auf der Erde.

Eine der Gegenden, auf die Forscher seit geraumer Zeit ein Auge werfen, ist der Gusev-Krater. Es handelt sich dabei um einen 160 Kilometer breiten Einschlagkrater, der durch ein langes Tal mit dem Hochland des Mars verbunden ist. Durch dieses Tal, so die Annahme, könnte einst Wasser in den Krater geflossen sein und dort einen riesigen See gebildet haben. Die geomorphologischen Verhältnisse erschienen der Nasa so interessant, dass der Gusev-Krater als Landeplatz für einen der beiden Marsroboter auserkoren wurde.

Die Hoffnungen, am Landeplatz Sedimentgestein zu finden und damit die Existenz eines früheren Sees zu bestätigen, haben sich bisher nicht erfüllt. Bei den Felsbrocken, die der «Spirit»-Rover näher inspiziert hat, handelt es sich um Basalte und damit um vulkanisches Gestein. Nach Ansicht von Ron Greeley vom Athena Science Team verbergen sich die Sedimentgesteine unter einer jüngeren Schicht von Sand, Staub, Vulkanasche und Magma. Diese Schicht muss relativ dick sein. Denn selbst dort, wo sie durch kleinere Einschläge aufgebrochen worden ist, zeigten sich keine Hinweise auf eine Sedimentation.

Eine interessante Entdeckung machten die Forscher, als sie einige der Felsbrocken anbohrten. Unter einer hellen Staubschicht trat eine dunkle Verwitterungsschicht zutage, die auf eine nachträgliche Modifikation des basaltischen Gesteins hindeutet. Diese habe stattgefunden, nachdem das Gestein von Wind geformt worden war, betonte Ray Arvidson, der stellvertretende Leiter des Athena-Science-Teams. Zusätzlich wurden feine, mit Mineralien gefüllte Risse blossgelegt. Beide Beobachtungen legen nahe, dass die untersuchten Gesteine in der jüngeren Vergangenheit mit Wasser in Berührung gekommen sind. Dabei muss es sich nicht um viel Wasser gehandelt haben. Eine erhöhte Luftfeuchtigkeit würde möglicherweise bereits genügen, um das basaltische Gestein in dem beobachteten Mass zu verändern.

Eine andere Erklärung ist laut Arvidson, dass die äquatorialen Regionen des Mars von Zeit zu Zeit von einer etwa 30 Zentimeter dicken Schneeschicht bedeckt waren. Auslöser für diesen «Schneeball Mars» könnte zum Beispiel eine veränderte Neigung der Marsachse gewesen sein - mit der Folge, dass das Wassereis an den Polen sublimiert sei und sich anderswo als Schnee niedergeschlagen habe. Dieser habe dann zur Verwitterung des Gesteins beigetragen. Beide Erklärungen rütteln an der Vorstellung, dass der Mars in der jüngeren Vergangenheit trocken gewesen ist. Zumindest temporär könnte es feuchte Perioden gegeben haben.

«Opportunity» findet einen Salzsee

Ganz andere Verhältnisse hat der Marsroboter «Opportunity» im Meridiani Planum vorgefunden. Dieser Landeplatz war von der Nasa ausgewählt worden, weil man dort bei früheren Erkundungen aus dem Weltraum das Eisenerz Hämatit nachgewiesen hatte. Dieses Mineral entsteht auf der Erde in der Regel unter Einwirkung von Wasser. Tatsächlich hat «Opportunity» mehrere Indizien gefunden, die auf die Existenz eines inzwischen verdunsteten Gewässers in dieser Gegend hindeuten. Allerdings scheint es nicht ein gewöhnliches Gewässer gewesen zu sein, sondern eine sulfatreiche, ätzende Lösung, in die man besser nicht seinen Fuss gesetzt hätte.

Durch einen glücklichen Zufall ist Opportunity in einem flachen Krater gelandet, an dessen Rand der felsige Untergrund offen zutage tritt. Eine genauere Untersuchung dieses Felsaufschlusses und seiner Umgebung offenbarte zum einen die Quelle des bereits aus dem Weltraum beobachteten Hämatits. Das Mineral ist auf winzige Kügelchen konzentriert, die sich vermutlich gebildet haben, als die eisenhaltige Lösung durch das lose Sedimentgestein gesickert ist. Das vielleicht wichtigste Indiz für die Existenz von Wasser ist nach Ansicht von Göstar Klingelhöfer jedoch in dem Mineral Jarosit zu sehen, das mit einem von der Universität Mainz entwickelten Spektrometer in dem Felsaufschluss nachgewiesen worden ist. Auf der Erde bildet sich dieses Mineral ausschliesslich in sauren, sulfatreichen Gewässern.

Unklar ist momentan noch, über welche Fläche sich das Gewässer in der fernen Vergangenheit erstreckt hat. Es könnte sowohl ein kleiner Tümpel als auch ein grosser See gewesen sein. Aufschluss soll nun die Untersuchung eines grösseren Kraters geben, der etwa 750 Meter von der Landestelle von Opportunity entfernt ist. Sollte man dort ähnliche mineralogische Verhältnisse vorfinden wie im untersuchten Krater, so spräche das für ein ausgedehntes Gewässer. So oder so dürfte das Meridiani Planum ein bevorzugtes Ziel von zukünftigen Mars-Missionen sein. Auf der Erde gibt es nämlich Mikroorganismen, die in vergleichbarer Umgebung prächtig gedeihen.


Globale Ansichten vom Mars

Anders als die beiden Marsroboter erkundet die europäische «Mars Express»-Mission unseren Nachbarplaneten aus dem All. In Nizza präsentierte Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin neueste Aufnahmen, die mit einer von ihm entwickelten hochauflösenden Stereokamera gemacht worden waren. Die farbigen 3D-Aufnahmen von Vulkanen, Tafelbergen und tief eingeschnittenen Tälern lassen Details erkennen, die nur 10 bis 20 Meter gross sind. Damit wird es möglich, nach Geländemerkmalen zu suchen, die durch Wasser, Eis oder Gletscher geformt worden sind.

So haben die Forscher an der Westflanke des Vulkans Olympus Mons Anzeichen für Gletscheraktivität gefunden. Es sieht so aus, als sei an der Flanke des Vulkans Wasser heruntergelaufen, das anschliessend gefroren ist und Gletscher gebildet hat. Anhand der Zahl von Einschlagkratern konnte das Alter der entsprechenden Flächen auf 130 Millionen Jahre datiert werden. Ähnliches wurde am Vulkan Hecates Tholus beobachtet. Dort scheint die Gletscheraktivität weniger als 50 Millionen Jahre zurück zu liegen. Laut Neukum gibt es sogar Anzeichen für noch jüngere Vorgänge. Er nannte eine Zahl von 5 Millionen Jahren, ohne sich jedoch darauf festlegen zu wollen, um welche Art von Aktivität es sich gehandelt hat und wo sie beobachtet worden ist. Für ihn sei es eine grosse Überraschung, dass der Mars auch noch in jüngster Vergangenheit durch Wasser und/oder Eis geformt worden sei. Das widerspräche der Meinung, dass der Mars heute weitgehend inaktiv sei.

Den Auslöser für diese mit Wasser in Beziehung stehende Aktivität sieht Neukum im Vulkanismus. Durch die lokale Erwärmung, so eine mögliche Hypothese, könnten verborgene Wasservorräte im Boden mobilisiert worden sein. Tatsächlich hat seine Gruppe bei einigen Vulkankratern Anzeichen dafür gefunden, dass die letzten Ausbrüche weniger als 100 Millionen Jahre zurück liegen. Das deckt sich mit früheren Beobachtungen anderer Forscher. Neukum hält es sogar für möglich, dass es auch heute noch schlummernde Vulkane auf dem Mars gibt, die jederzeit wieder ausbrechen könnten.

Woher kommt das Methan?

Die Frage, ob es heute noch Vulkanismus auf dem Mars gibt, ist auch in anderer Hinsicht von grossem Interesse. Wenige Wochen vor der Tagung in Nizza hatte die ESA an einer Pressekonferenz bekannt gegeben, dass die «Mars Express»-Sonde geringe Mengen (10 ppb) Methan in der Marsatmosphäre gemessen habe. Obwohl der Mars damit 10 000-mal weniger Methan enthält als die Erde, besitzt diese Beobachtung einige Sprengkraft. Methan wird nämlich innerhalb von wenigen Jahrhunderten durch photochemische Reaktionen zerstört. Folglich muss das Gas heute noch produziert werden. Als Quelle kommen neben aktiven Vulkanen vor allem Methan-produzierende Bakterien in Frage, wie man sie auch von der Erde her kennt.

An der Konferenz räumte Wladimir Krasnopolsky von der Catholic University of America in Washington etwaige Zweifel an der Messung der «Mars Express»-Sonde aus. Mit einem erdgebundenen Teleskop konnte er etwa die gleiche Methan-Menge in der Marsatmosphäre nachweisen. Durch eine Abschätzung aller relevanten Quellen kam er zu dem Schluss, dass Bakterien die plausibelste Erklärung darstellen. Allerdings dämpfte Krasnopolsky die Hoffnung, diese Bakterien rasch zu finden. Der Menge des Methans nach zu urteilen sei der Mars weitgehend steril. Vermutlich seien die Bakterienkolonien auf kleine unterirdische Oasen konzentriert.

Genauere Angaben über die Verteilung des Methans in der Marsatmosphäre hatte man an der Konferenz von Vittorio Formisano erwartet, der im Rahmen der «Mars Express»-Mission für die Messungen mit dem Planetary Fourier Spectrometer zuständig ist. Tatsächlich zeigte Formisano, dass die gemessene Methankonzentration von Orbit zu Orbit variiert. Auf manchen Umlaufbahnen wurde gar kein Methan gemessen, auf anderen etwa dreimal so viel wie im Mittel. Formisano wollte aber nicht sagen, ob die Orbits mit hoher Methan-Konzentration über vulkanisches Terrain führen. In diesem Fall könnte es sich bei dem Methan um die Ausgasung von Vulkanen handeln, was gegen einen biogenen Ursprung spräche. Von Interesse wäre ausserdem, ob die erhöhte Methan-Konzentration mit einem erhöhten Schwefelgehalt einhergeht, wie er über aktiven Vulkanen zu erwarten wäre. Aber auch diese Antwort blieb Formisano an der Konferenz schuldig.

Wie auch immer die Frage nach dem Ursprung des Methans beantwortet werden wird, die Folgerungen sind weitreichend. Der Nachweis, dass es auf dem Mars heute noch aktive Vulkane gibt, würde ein neues Licht auf die jüngere Entwicklung dieses Planeten werfen. Noch spektakulärer wäre es freilich, wenn heute noch Bakterien den Mars besiedelten. Dies würde weit mehr in Frage stellen als nur unser Bild vom Mars.



Verfehlte Informationspolitik

Spe. Konferenzen gelten als der Ort, an dem Wissenschafter der Fachwelt ihre neuesten Ergebnisse präsentieren und sie damit zur Diskussion stellen. Mit Spannung hatten Forscher deshalb eine Tagung der Europäischen Geowissenschaftlichen Vereinigung in Nizza erwartet. Auf dem Programm stand ein Überblick über die ersten Resultate der europäischen «Mars Express»-Mission. Dass zu diesem frühen Zeitpunkt nur mit vorläufigen Ergebnissen zu rechnen war, versteht sich von selbst. Überraschend war hingegen, wie zugeknöpft sich einige der an der Mission beteiligten Wissenschafter zeigten. Offensichtlich wurden besonders interessante Resultate bewusst zurückgehalten oder nur andeutungsweise erwähnt.

Die zurückhaltende Informationspolitik der europäischen Forscher hatte einen einfachen Grund: Hinter den Kulissen fanden Verhandlungen um eine Publikation der Ergebnisse in den führenden Wissenschaftszeitschriften «Science» und «Nature» statt. Diese aber sehen es nicht gerne, wenn die Highlights vorab publik werden. Die Folge ist eine «freiwillige» Selbstbeschränkung der Forscher, die den Sinn und Zweck von Konferenzen in Frage stellt. Dass man schon in wenigen Wochen nachlesen können wird, was an der Tagung verschwiegen wurde, dürfte für viele Besucher nur ein schwacher Trost sein.
Hits seit dem 30.10.2000

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